(Artikel in Aargauer Zeitung, 11. Oktober 2024)
- Umbau der Mikwe in Endingen, Baustart des Besucherzentrums in Lengnau, Budget von 11,6 Millionen Franken: Stiftungsratspräsident Lukas Keller über die wichtigsten Meilensteine und den Stand des Projekts Doppeltür, das die besondere jüdisch-christliche Geschichte im Surbtal vermitteln will.
- Laut ist das Dröhnen einer Maschine zu hören. Aber nicht nur im Innern, sondern auch ausserhalb des zweistöckigen, hellgelben Hauses am Mühleweg 1 in Endingen sind Arbeiter am Werk. Sie erstellen gerade das Fundament für einen neuen Hublift. Die Umbauarbeiten am jüdischen Tauchbad laufen auf Hochtouren.
- Damit geht es auch in grossen Schritten vorwärts mit dem Projekt «Doppeltür». Denn die Mikwe ist Teil des ambitionierten Vorhabens, welches das einzigartige jüdisch-christliche Kulturerbe im Surbtal vermitteln sowie Dialog und Toleranz fördern möchte: Endingen und Lengnau waren von 1776 bis 1874 die einzigen Orte im Land, in denen sich jüdische Menschen dauerhaft niederlassen durften. Dafür sind die beiden Dörfer weit über die Landesgrenze hinaus bekannt.
- Herzstück des Vermittlungsprojektes ist das neue «Zentrum Doppeltür» in Lengnau. Im Besucherzentrum mit internationaler Ausstrahlung werden dereinst jährlich bis zu 25’000 Gäste erwartet. Sowohl die Mikwe in Endingen als auch das Zentrum am Lengnauer Spycherweg erhielten im Frühling die Baubewilligung.
- «Das war ein Meilenstein für die Stiftung», sagt Stiftungspräsident Lukas Keller. Dass jetzt das jüdische Tauchbad umgebaut und Anfang Dezember eröffnet werde, sei ein Glücksfall und ein bedeutender Schritt für «Doppeltür». «Niemand rechnete damit, dass wir die Mikwe erwerben und in einem ersten Teilschritt noch vor dem Besucherzentrum eröffnen können. Das ist ein Zeichen nach aussen, dass es beim Projekt ‹Doppeltür› vorwärtsgeht.» Die Erleichterung darüber sei gross.
- Besonders sei auch, dass die Stiftung das jüdische Tauchbad ausserhalb des ordentlichen Projektbudgets habe kaufen können, sagt Lukas Keller. Eine grosszügige Schenkung einer Stiftung hatte 2022 den Erwerb des 2006 umfassend sanierten Gebäudes möglich gemacht. Die finanzielle Unterstützung war mit dem Kauf und Erhalt der Mikwe verbunden. Erbaut hat das Gebäude der Badener Architekt Caspar Joseph Jeuch im Jahr 1867.
- Tag der offenen Mikwe findet am 1. Dezember statt
- Damit das denkmalgeschützte jüdische Tauchbad für Menschen mit Beeinträchtigung zugänglich ist, wird zurzeit ausserhalb des Gebäudes ein sogenannter Hublift angebaut. Zudem saniert die Stiftung die Fassade und gestaltet den Innenraum neu. «Im Erdgeschoss wird ein neues, behindertengerechtes WC eingebaut», sagt Lukas Keller. «Nötig ist ausserdem ein technischer Ausbau für Multimedia. Dafür braucht es einige Elektrorohre.» Die szenografische Umsetzung mit audiovisuellen Informationen zur Mikwe und rituellen Reinigung wird ebenfalls vorangetrieben. Die Investitionen belaufen sich auf rund 400’000 Franken.
- Für die Surbtaler Bevölkerung und alle weiteren Interessierten gibt es am Sonntag, 1. Dezember, einen Tag der offenen Mikwe von 11 bis 14 Uhr. Ab Dezember kann das Tauchbad als Teil einer gebuchten Führung mit Guides des Jüdischen Kulturwegs oder auf individueller Basis gegen einen Eintrittspreis besucht werden. Erwachsene zahlen zehn und Jugendliche acht Franken. Für Vereinsmitglieder sowie Kinder bis sechs Jahre ist der Eintritt kostenlos.
- Baustart für Besucherzentrum ist 2025 vorgesehen
- Auch beim Besucherzentrum kommen die Arbeiten voran: Die Baukommission der Stiftung arbeitet mit den Architekten an der weiteren Umsetzungsplanung und bereitet insbesondere die Submissionen der Arbeiten vor, schreiben der Verein und die Stiftung in einem gemeinsamen Newsletter.
- Der 2017 gegründete Verein ist verantwortlich für den Betrieb des Zentrums sowie des Jüdischen Kulturwegs und Veranstaltungen sowie Sonderausstellungen. Er steht allen interessierten Personen für eine Mitgliedschaft offen. Die gemeinnützige, 2022 gegründete Stiftung ist zuständig für die Projektstrategie sowie Projektentwicklung, die Ausstellungsinhalte, die Immobilien, das Fundraising und die Beziehungen zur öffentlichen Hand.
- Der Baustart für das Besucherzentrum ist in der ersten Jahreshälfte 2025 vorgesehen. Der umfassende Um- und Anbau beansprucht eine längere Bauzeit. Die Eröffnung ist auf Ende 2026 geplant.
- Spendensuche auf der Zielgeraden
- Auch das Fundraising ist fast am Ziel: «Über drei Viertel des Gesamtbudgets von Doppeltür in der Höhe von 11,6 Millionen Franken sind dank des Aargauischen Lotteriefonds sowie von Stiftungen und Privatpersonen gesichert», heisst es im Newsletter. Und Lukas Keller ergänzt: «Nach dem Erhalt der Baubewilligung und der Aktualisierung des Projekts können wir nun weiter auf Spendensuche gehen.»
- Im Bereich der Szenographie steht ebenfalls die Umsetzung der einzelnen Ausstellungselemente im Mittelpunkt. So fanden beispielsweise Ende August die Dreharbeiten mit Protagonisten wie Samuel Huwyler statt, der zusammen mit fünf weiteren Personen die Besuchenden im Doppeltür Zentrum in Lengnau dereinst virtuell empfangen wird. Der Berufsmusiker und Inhaber eines Grafikbüros in Baden erzählte dabei aus seiner Kindheit in Endingen, von seinen Erfahrungen in der Musik und seinen Lebenswerten.
- Der Namen Doppeltür ist von den berühmten Häusern abgeleitet, bei denen die Türen direkt in separate Wohnungen führen. Lange hiess es, die getrennten Hauseingänge hätten dazu gedient, behördliche Vorschriften zu umgehen, wonach Juden und Christen nicht unter demselben Dach wohnen durften.
- Kunsthistorikern Edith Hunziker widerlegte in der Jahresschrift der Historischen Gesellschaft des Kantons Aargau verschiedene Thesen und schrieb unter anderem, dass die Surbtaler Häuser mit Doppeltüren in erster Linie aus einer Platznot heraus entstanden waren. Was aber unbestritten ist: Die Doppeltürhäuser sind Zeugen einer einzigartigen religions- und kulturgeschichtlich bedeutenden Zeit im Surbtal.
- (Link zum Artikel: https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/zurzibiet/endingenlengnau-juedisches-tauchbad-wird-umgebaut-so-steht-es-um-das-ambitionierte-juedisch-christliche-vermittlungsprojekt-doppeltuer-ld.2682959)
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